Künstliche Intelligenz in der Medizin – Revolution oder Risiko?
Unter diesem Titel hatte die Landesärztekammer Brandenburg für Mittwoch, 27. November, zu einer Hybrid-Veranstaltung eingeladen.
Wie die Zukunft in zehn oder 15 Jahren im Gesundheitswesen aussehen kann und wird – viele Szenarien sind möglich. Und so beschrieb auch Landesärztekammerpräsident Dipl.-Med. Frank-Ullrich Schulz in seiner Eröffnungsrede der Veranstaltung die Bandbreite der Möglichkeiten: Die intensive Nutzung der KI in der Medizin ist mit großen Hoffnungen, aber auch großen Sorgen verbunden. Sie lässt vielfältige Möglichkeiten erahnen, weckt große Erwartungen, wirft aber auch die Frage auf: „Ist es vertretbar, auf eine Maschine zu vertrauen, wenn es für einen Menschen um Leben und Tod geht?“ Hinzu kommen Problemfelder wie Datenmissbrauch oder auch Manipulation, für die es bislang keine klare Regelung gibt.
Über diese Fragen diskutierten Inga Bergen, Expertin für humanzentrierte Digitalisierung und Innovation im Gesundheitsweisen, Prof. Dr. phil. Dirk Lanzerath, Leiter des Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE) in Bonn gemeinsam mit Prof. Dr. med. Lukas Beyer, Leiter des Zentrums für interventionelle und diagnostische Radiologie und Neuroradiologie am Ernst von Bergmann Klinikum in Potsdam.
Zunächst führte Frau Bergen in einem Impulsvortrag aus, wie sehr die künstliche Intelligenz, die dann eine KI ist, wenn sie Aufgaben erfüllt, die normalerweise menschliche, kognitive Fähigkeiten erfordern, die Menschen in ihren Bann zieht. So stellte sie Studien vor, die zeigten, dass Menschen inzwischen überwiegend nicht mehr unterscheiden können, ob sie gerade im Kontakt mit einer KI oder einem Menschen stehen.
Sie zitierte danach aus mehreren Untersuchungen zum jetzigen Umgang der Patienten: 68% suchen im Internet alternative Behandlungsmethoden zu der vom Arzt vorgeschlagenen Vorgehensweise. 63% suchten Informationen zur Diagnose, weiteren Behandlung oder der Erkrankung selbst. Für Ärztinnen und Ärzte sowie Patienten ginge es künftig um die Frage, wie eine Behandlung mit einer Künstlichen Intelligenz unterstützt oder verbessert werden könne.
Im Anschluss beschäftigte sich Prof. Dr. Dirk Lanzerath mit der ethischen Seite einer zunehmend technisierten Medizin. Es hänge an der Kontextualisierung von KI, wie Menschen damit umgingen. „Wir sehen gerade sehr deutlich, wie Gesellschaften und Demokratien mit Hilfe von KI zersetzt werden.“ Die Medizin habe noch einmal speziellere Anforderungen an die KI, die schon seit einiger Zeit vor allem in der Radiologie, der Dermatologie sowie bei der Diagnose von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zum Einsatz kommt. „Wichtig ist, dass man offen diskutiert, wie KI helfen kann, ohne dabei die Struktur von Praxen und Krankenhäusern außer Acht zu lassen.“
Eine dritte Meinung und damit einen ganz praktischen Blick auf das Thema „KI in der Medizin“ brachte Prof. Dr. Lukas Beyer bei der folgenden Diskussion mit. Er ist Chefradiologe in Potsdam. „Viele Menschen denken an Bildanalyse, wenn sie an den Einsatz von KI in der Radiologie denken. Bei einem MRT geht es aber auch um Bildentstehung. Wie entsteht aus physikalischen Messdaten ein Bild? Inzwischen gibt es ein paar hundert KI-Anwendungen auf dem Markt, die man anschaffen könnte.“
„Wie arbeiten Sie in zehn Jahren?“, wollte Moderator Matthias Gabriel von Prof. Beyer zum Abschluss der Diskussion wissen. „Ich weiß nur, dass die Entwicklung langsamer als gedacht vorangeht. Vor vier, fünf Jahren hieß es, dass es besser wäre, keine Radiologen mehr auszubilden, weil der Beruf ausstirbt. Fakt ist: Wir haben mehr Arbeit als je zuvor. Wo ich in zehn Jahren bin: Das weiß ich nicht.“
Das Schlusswort hatte Ethiker Lanzerath: „Wir müssen die Entwicklung in jedem Fall begleiten. Technik, Ethik, Recht und Medizin müssen im Gespräch miteinander bleiben. Wir müssen gemeinsame Konzepte erarbeiten. Auch die Ethik lernt dazu.“
Einen ausführlicheren Bericht zu dieser Veranstaltung finden Sie in der Januar-Ausgabe des Brandenburgischen Ärzteblatts, das am 30. Dezember 2024 erscheint.