Potsdam, 20.03.2020. Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz (MSGI): Strahlenschutz; Vorgehen im Land Brandenburg bei Überschreitungen der im Strahlenschutzrecht vorgegebenen Fristen.
Erlass-S-2020.04-Corona-Vorgehen-bei-Fristenüberschreitungen
Angesichts der Covid-19-Pandemie (Corona-Virus) und der damit einhergehenden staatlich angeordneten oder initiativ getroffenen Maßnahmen zum Infektionsschutz ist absehbar, dass im Strahlenschutzrecht vorgeschriebene Fristen entweder nicht eingehalten werden können (Unmöglichkeit) oder die Wahrnehmung der Termine unzumutbar ist (Verhältnismäßigkeit).
Zu den relevanten Fristen zählen folgende:
A) Aktualisierung der erforderlichen Fachkunde bzw. Kenntnisse im Strahlenschutz nach § 48 Absatz 1 Satz 1 bzw. § 49 Absatz 3 der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV): alle fünf Jahre
Empfehlung des MSGIV: Rückwirkend zum 1. März 2020 bis auf Widerruf gelten abgelaufene bzw. ablaufende Aktualisierungsfristen ohne weitere Prüfung als eingehalten, wenn die bereits angemeldete Kursteilnahme danach zum nächstmöglichen (beim Kursveranstalter verfügbaren) Termin erfolgt. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Kurs vom Veranstalter abgesagt wurde oder ob der Teilnehmer aufgrund von Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus absagt. Es wird nahe gelegt, in diesen Fällen von förmlichen und gebührenpflichtigen Bescheiden abzusehen.
B) Wiederkehrende Prüfungen von Röntgeneinrichtungen (Sachverständigenprüfungen) nach § 88 Absatz 4 Nummer 1 StrlSchV: alle fünf Jahre
Empfehlung des MSGIV: Rückwirkend zum 1. März 2020 bis auf Widerruf gelten abgelaufene bzw. ablaufende Fristen zur Durchführung der wiederkehrenden Prüfung an Röntgeneinrichtungen ohne weitere Prüfung als eingehalten, wenn die Prüfung danach zum nächstmöglichen Termin erfolgt. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Sachverständige oder der Strahlenschutzverantwortliche(SSV) für den o. g. Zeitraum fällige Prüftermine aufgrund von Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus abgesagt hat. Es wird nahe gelegt, in diesen Fällen von förmlichen und gebührenpflichtigen Bescheiden abzusehen.
C) Wiederkehrende Prüfung von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlung, Bestrahlungsvorrichtungen und Geräten für die Gammaradiographie nach § 88 Abs, 1 Nr. 1 b StrlSchV: grundsätzlich jährlich
Empfehlung des MSGIV: § 88 Absatz 2 und 3 StrlSchV lässt viele Ausnahmen hinsichtlich der zeitlichen Abstände zu, die in der Regel auch in den Genehmigungsbescheiden oder in separaten Ausnahmebescheiden festgelegt sind. Insofern bedarf es hier keiner pauschalen Duldungsregelung, risikobasierte Einzelfallentscheidungen sind – wie immer - möglich. Unbedingt beachten: Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlung und Bestrahlungsvorrichtungen (Das sind in der Regel Beschleuniger und Afterloading-Anlagen mit hochradioaktiven Quellen.), mit denen Strahlung am Menschen angewandt wird, sind ohne Ausnahme fristgerecht zu prüfen.
D) Prüf- und Wartungsarbeiten nach § 88 Absatz 1, § 89 Absatz 1 oder § 116 Absatz 1 StrlSchV: unterschiedlich; zum Teil durch SSV festgelegt
Empfehlung des MSGIV: Rückwirkend zum 1. März 2020 bis auf Widerruf gelten abgelaufene bzw. ablaufende Fristen zur Durchführung von Prüf- und Wartungsarbeiten durch externe Dienstleister ohne weitere Prüfung als eingehalten, wenn die Prüfung danach zum nächstmöglichen Termin erfolgt. Es spielt keine Rolle, ob der Dienstleister oder der SSV für den o. g. Zeitraum fällige Prüf- oder Wartungstermine aufgrund von Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus abgesagt hat. Es wird nahe gelegt, in diesen Fällen von förmlichen und gebührenpflichtigen Bescheiden abzusehen.
E) Amtliche personendosimetrische Überwachung per Auflage in den vom LAVG erteilten Genehmigungsbescheiden
Empfehlung des MSGIV: Siehe E-Mail vom 17.03.2020 (Mitteilung der Landesanstalt für Personendosimetrie und Strahlenschutzausbildung (LPS)
E-Mail vom 17.03.2020:
Im Rahmen der derzeitigen Ereignisse und Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19 Infektionen in Deutschland ist die LPS dabei einen Notfallplan umzusetzen, um einen möglichst reibungslosen Weiterbetrieb sicherzustellen. Es kann aber der Fall eintreten, dass die LPS den Betrieb ganz einstellen muss. Gründe dafür können z. B. eine Ausgangssperre seitens der Bundesregierung, ein Zusammenbrechen der Lieferketten (wir bekommen keine Dosimeter von den Kunden bzw. können keine Dosimeter versenden) oder eine Schließung durch die Gesundheitsbehörden sein.
Im Falle einer Schließung des Betriebes wird die LPS wie folgt verfahren:
- Automatische Verlängerung der Überwachungszeiträume bis die LPS wieder betriebsbereit ist. Das bedeutet, die vorhandenen Dosimeter müssen solange getragen werden bis neue Dosimeter von der LPS geliefert werden können. Im schlimmsten Fall kann dies mehrere Monate betragen. Eine Auswertung der Dosimeter auch über den längeren Zeitraum wird durch die LPS gewährleistet, kann aber bei sehr lang anhaltender Schließung auch die geprüfte Grenze von 6 Monaten der Baumusterprüfung der PTB überschreiten. Die Erfahrungen der LPS zeigen, dass auch dann noch ein „richtiges" Ergebnis erhalten wird.
- Eine Schnellauswertung von Dosimetern ist in der Schließungszeit nicht möglich, da wir die LPS nicht als systemkritischen Betrieb betrachten.
- Die Auswertung der Dosimeter und die Mitteilung der amtlichen Dosis erfolgt nicht und wird erst wieder erfolgen können wenn die LPS den Betrieb aufnimmt.
- Im Falle einer unfallbedingten Notfallsituation z. B. bei einem kerntechnischen Unfall, würde die LPS erst nach einer Anlaufphase Dosimeter liefern können. Tritt so ein Notfall ein, muss ich telefonisch und per E-Mail benachrichtigt werden und werde dann Teile des Personals trotz Schließung aktivieren, um Ihnen die notwendigen Dosimeter bereitstellen zu können.
Hinweis: Es wird nahe gelegt, in Fällen der Abweichung von den in den Genehmigungsbescheiden vorgegebenen Fristen von förmlichen und gebührenpflichtigen Bescheiden abzusehen.
Begründung:
Zu A, zu B und zu D
Die StrlSchV eröffnet keine direkten Möglichkeiten zu einer förmlichen Verlängerung der Fristen nach § 48 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 3, § 88 Abs. 1 Nr. 1a, § 88 Abs. 4 Nr. 1, § 89 Abs.1 und § 116 Abs. 1 StrlSchV. Daher würden entsprechende Anträge der SSV ins Leere laufen. Allerdings steht das nachgelagerte Behördenhandeln bei einer Pflichtverletzung im Ermessen der Behörden.
Nachfolgende nicht abschließende Aufzählung der Gründe verdeutlicht die Notwendigkeit zur Verlängerung der förmlichen Fristen in dieser Ausnahmesituation:
- Absagen der Kursveranstalter aufgrund von Vorgaben der Gesundheitsbehörden, zu geringer Teilnehmerzahl, Ausfälle von Referenten
- Verhinderung der Aktualisierungspflichtigen wegen Erkrankung, Quarantäne, Kinderbetreuung (geschlossene Schulen/Kitas), erhöhte Arbeitsbelastung in medizinischen Einrichtungen (Dienst prioritär vor Kurs), dienstlich angeordnete Vermeidung von Dienstreisen und Fortbildungen etc.
- Ausfälle der Sachverständigen wg. Erkrankung, Quarantäne etc.
- Ablehnung der wiederkehrenden Prüfungen v. a. in medizinischen Einrichtungen zur Risikominimierung des Infektionseintrags, mangelnde Verfügbarkeit des die Prüfung begleitenden Personals
Zu C
Die Anlagen, Vorrichtungen und Geräte nach § 88 Abs. 1 StrlSchV stellen aufgrund der mit ihnen erzeugbaren Dosisleistungen ein erheblich höheres Expositionsrisiko für Beschäftigte und Patienten dar, was sich in den geringeren Prüffristen widerspiegelt. Ferner sind die Betriebssituationen bei Weitem nicht so standardisiert wie für Röntgeneinrichtungen, was sich wiederum in Ausnahmemöglichkeiten nach § 88 Abs. 2 und 3 StrlSchV aufgrund von Einzelfallbeurteilungen dokumentiert. Daher ist eine pauschale Fiktion der Fristeinhaltung nicht praktikabel, was aber aktuell risikobasierte Einzelfalllösungen keinesfalls ausschließt. Für medizinische Einrichtungen muss ein besonders strenger Maßstab angelegt werden, so dass die Behörde hier in der Regel auf einer fristgerechten Prüfung bestehen muss und allenfalls kurzfristige Überschreitungen tolerieren kann.
Zu E
Die Landesanstalt für Personendosimetrie und Strahlenschutzausbildung (LPS) hat per E-Mail vom 17.03.2020 mitgeteilt, dass sie einen Notfallplan umzusetzen hat, um einen möglichst reibungslosen Weiterbetrieb sicherzustellen. Für den Fall einer dennoch notwendigen Schließung des Betriebes hat die LPS Maßnahmen notiert (Siehe oben unter Punk E), über die sie das MSGIV und die Kunden informieren wird.
Hinweis: Diese Regelungen sind auf Widerruf und zeitlich begrenzt.